Nach einer verheerenden Brandkatastrophe in einem Londoner Hochhaus mit 72 Todesopfern kam auch in anderen Ländern die Frage auf: Wie gut sind Hochhäuser gegen Brände geschützt? Kann ein Großbrand wie in London auch in einer deutschen Großstadt passieren?
Schwere Mängel am Grenfell Tower
Ein Expertenbericht kommt ein Jahr nach dem Großbrand zu dem Ergebnis, dass es schwere Mängel beim Bau des Hochhauses gegeben habe. Insbesondere die Verkleidung der Fassade des 24-stöckigen Gebäudes hat nicht den geltenden Richtlinien für Gebäudesicherheit entsprochen. Brandschutztests mit den beim Bau eingesetzten Materialien habe es in der Bauphase nicht gegeben. Besonders tragisch ist, dass die ersten Anweisungen nach Ausbruch des Feuers an die Bewohner lauteten, in ihren Wohnungen zu bleiben.
Bereits nach einer halben Stunde stellte sich diese Strategie als falsch heraus, dennoch wurde sie von offizieller Seite erst nach zwei Stunden zurückgenommen. Für viele Bewohner hat dieser Ratschlag vermutlich den Tod bedeutet. Die Fassadenverkleidung wird für die schnelle Ausbreitung des Feuers, für die starke Rauchentwicklung und für den Ausbruch zahlreicher weiterer Brände im Inneren des Gebäudes verantwortlich gemacht. Erst zwei Jahre vor dem Brand wurden Renovierungsmaßnahmen an dem Hochhaus durchgeführt, in deren Rahmen die Fassadenverkleidung als Wärmedämmung angebracht wurde. Die Auswahl des Materials durch den Auftraggeber oder das durchführende Unternehmen war offensichtlich eine fatale Fehlentscheidung.
Bauvorschriften für Hochhäuser in Deutschland
In Deutschland werden Gebäude als Hochhäuser bezeichnet, wenn mindestens ein Raum mehr als 22 Meter über dem Boden liegt. In Baumaßnahmen werden grundsätzlich zwei voneinander unabhängige Rettungswege für einen Raum gefordert. Der zweite Rettungsweg kann kurzfristig durch die Feuerwehr bereitgestellt werden. Die größten genormten Feuerwehrdrehleitern reichen eben genau bis zu einer Höhe von 22 Metern. Scheidet die Feuerwehr als temporärer zweiter Rettungsweg aus, handelt es sich um ein Hochhaus, in dem weitere bauliche Maßnahmen erforderlich werden, beispielsweise Feuerleitern außen am Gebäude oder Sicherheitstreppenhäuser.
Zusatzanforderungen für den Brandschutz
Ab 30 Metern Höhe wird in Hochhäusern ein Feuerwehraufzug gefordert, um Löscherfolge über dieser Gebäudehöhe zu ermöglichen. Um Löschwasser verfügbar zu machen, sind trockene und nasse Steigleitungen erforderlich, zum Teil mit Pumpen, um den Wasserdruck zu erhöhen. Es gibt zusätzliche Regelungen für die Verlegung vor Rohr-, Elektro- und Telekommunikationsleitungen. Baustoffe müssen bestimmte Anforderungen erfüllen. Je größer ein Gebäude ist, umso unwahrscheinlicher ist es, dass alle Bewohner einen Brand oder den Feuerwehreinsatz wahrnehmen. Daher werden akustische Warneinrichtungen gefordert, Brandmeldeanlagen, Feuerlöschanlagen und Handfeuerlöscher.
Unterschiede nach Bundesländern
Es gibt durchaus Unterschiede in den einzelnen Bundesländern in Bezug auf die Hochhausrichtlinien. Die Muster-Hochhaus-Richtlinie ist teilweise direkt in der Bauaufsicht integriert, in anderen Regionen mit der Baugenehmigung verbunden. Manche Bundesländer haben die Muster-Richtlinie auch in einigen Details überarbeitet.
Wirksamkeit der Bauvorschriften
Ob sich mit diesen Vorschriften Brandkatastrophen wie im Londoner Grenfell Tower verhindern lassen, ist schwer zu beurteilen. Nicht alleine die Qualität der Vorschriften ist dafür ausschlaggebend, wichtig ist auch die Kontrolle und Umsetzung bei der Ausführung der Baumaßnahme. Investoren sparen gerne Kosten beim Bau oder bei der Renovierung ein, aber das darf nicht das Leben der Menschen riskieren, die in diesen Gebäuden leben oder arbeiten.